Novembertage am Lago - Ankommen ist wie Heimkommen

Schweiz, Graubünden, Blick auf den San Bernardino , 2023 © Archiv Albrecht

Als wir aus dem San-Bernardino-Tunnel fahren, lasse ich mein Fenster runter, um einen Jubelschrei in die Dämmerung zu schicken – ein Ritual aus Kindertagen. Hinter uns liegen stundenlange Staus und Dauerregen, vor uns die kurvige Abfahrt ins Mesolcina-Tal, aber über uns wölbt sich ein Abendhimmel, der sich sehen lassen kann. Tiefblau, so wie ich ihn zuletzt in San Francisco erlebt habe.

Schweiz, Graubünden, Mesolcina-Tal, Mesocco, 2023 © Archiv Anna Albrecht

Nur noch eineinhalb Stunden bis zu unserem zweiten Zuhause – einem verträumten Ort zwischen den oberitalienischen Seen. Er ist mir mit den Jahren so sehr ans Herz gewachsen, dass ich es jetzt kaum mehr erwarten kann. Zum Glück ist es ab hier nicht mehr so langweilig, denn die Fahrt ins Tal sorgt für genügend Hingucker: Burgen und Kirchen auf schroffen Felsen, Dörfer, die sich zwischen steile Berghänge und Almen schmiegen, dazwischen Wasserfälle und Lärchen, die um diese Jahreszeit wie Flammen in der Dämmerung lodern: Mesocco, Lostallo, Roveredo – diese Namen zergehen wie Cappuccino auf der Zunge. Und schon kommen wir ins Tessin. Das beginnt mit Bellinzona (die Stadt der Festungen mit UNESCO-Welterbestatus), Monte Ceneri, Lugano-Süd.

Uferstraße SS340 am Lago di Lugano. Im Hintergrund liegen die Hausberge Luganos, der San Salvatore links und der Monte Brè rechts , 2023 © Archiv Anna Albrecht

Die Stadt in der Bucht ist das Finanzherz des Ticino und zugleich beliebtes Ausflugsziel mit südländischem Flair. Es ist seine geschützte Lage, die für sich spricht und die charmante Begleitung zweier Berge, wie sie charaktervoller kaum sein könnten, der gemütliche San Salvatore und der vornehme Monsieur Brè. Für uns geht es nun durch den (leider dicken) Verkehr und weiter in Richtung Osten wieder aus der Stadt hinaus, die kurvenreiche Uferstraße am dunklen See entlang in Richtung St. Moritz. Hinter dem kleinen Dorf Gandria passieren wir die Grenze zur Lombardei in die Provinz Como, ab hier ist (fast) alles anders – italienisch: Panda statt Porsche...

Blick auf den Luganer See mit Porlezza im Vordergrund und Lugano im Hintergrund, 2023 © Archiv Anna Albrecht

Am Ende des Sees, im kleinen Städtchen Porlezza, geht es alsbald hoch in die Berge, wo wir uns Kurve um Kurve in die Höhe schrauben, bis zur steilen Auffahrt zu unserer Wohnung. Jetzt heißt es, den ersten Gang einschalten, Luft anhalten und … eeeendlich da! Die Ohren dröhnen, das Auto schnauft und aus dem Tal steigt ein leises Raunen auf. Aber hier oben hüllen uns Dunkelheit und Bergrücken ein, lenken den Blick ins Tal, wo Tausende von Lichtern das Seeufer beleuchten, das sich wie eine goldene Christbaumkette bis nach Lugano schlängelt.

2023 © Anna Albrecht

Einmal, zweimal, dreimal dreht sich der Schlüssel, dann schwingen die Türladen knarrend auf. Die dunkle Wohnung riecht nach abgestandenen Ferien, Staub mit einer Prise Vorfreude. Nun heißt es Feuer an, Tee aufsetzen und Betten beziehen. Feierliche Routinen der Ankunft: Ankommen ist wie Heimkommen – Willkommen im Advent!

Erster Dezember 2023 © Archiv Albrecht

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LÜBECK: INSELRUNDE TEIL III